18.05.2022 | 17:46
Clemens Peck
*Verhandlungskunst: Kultur im Zeichen der Diplomatie*
In der Ukraine fallen russische Bomben, die Diplomatie hat momentan wenig zu melden. Vielleicht ändert sich das aber wieder, die diplomatischen „Techniken der Übereinkunft“ (Walter Benjamin) haben eine lange Tradition. Wie wichtig Kunst und Literatur dabei seit dem 17. Jahrhundert waren, skizziert der Kulturwissenschaftler Clemens Peck in einem Gastbeitrag.
Als Diplomat gilt, wer im institutionellen Rahmen dazwischen geht und zwischen Staaten, Blöcken, Kulturen und Konfessionen Kommunikation herstellt. Ausgehend von den Boten der Antike und den Herolden des Mittelalters tun Diplomaten das bis heute als residierende Botschafter im Ausland, als Unterhändler anlassbezogener Missionen oder als Mitglieder multilateraler Konferenzen und Institutionen wie der UNO oder der OSZE.
Waren freundschaftliche Treffen und Gespräche zwischen Fürsten noch in der Renaissance an der Tagesordnung, gelten diese direkten Gespräche im 17. Jahrhundert zunehmend als zwecklos und gefährlich, wie der spanische Diplomat und Verhandler am Westfälischen Friedenskongress Diego de Saavedra Fajardo festhält: Aus der „fürstlichen Zusammenkunft“ resultiere „ein immerwährender Krieg“, in welchem nur um Titel und Vorzug gestritten werde..
Im Zeitalter des absolutistischen Souveränitätsdenkens und des Aufkommens neuer Territorialmächte nach dem Dreißigjährigen Krieg steigt deshalb der Bedarf an diplomatischem Personal. Die Folge ist nicht nur ein dichtes Netz an residierenden Botschaftern und Unterhändlern, sondern mit der Institutionalisierung von Friedenskongressen (vom Westfälischen Friedenskongress bis zum Wiener Kongress von 1814/15) auch ein neues Bewusstsein und Berufsethos, mit einem breiten Spektrum an Tätigkeitsfeldern.
Theatralisierung der Welt
Die Diplomatie erfährt in der Frühen Neuzeit einen entscheidenden Professionalisierungsschub. Dies hat ganz wesentlich damit zu tun, dass das absolutistische Selbstverständnis zwischen Versailles und Wien zu dieser Zeit ergänzt wird durch das Programm einer umfassenden Theatralisierung der Welt. Diese höfische Antwort auf das Paradox eines gottbestimmten Souveräns in einer zunehmend säkularen Welt verknüpft die Sphäre der diplomatischen Vermittlungsfiguren mit der Welt der Künstler und Gelehrten. Gerade das Theater erweist sich dabei als Spiegel der internationalen Beziehungen: Vom Elisabethanischen Theater Shakespeares über das barocke Trauerspiel bis zur „Maria Stuart“ Schillers oder „Iphigenie auf Tauris“ Goethes finden sich vielfältige Auseinandersetzungen mit der völkerrechtlichen Zerbrechlichkeit im Zeitalter der Souveränität.
Vor allem aber waren die Dichter, Maler, Komponisten, Schauspieler, Tänzer etc. maßgeblich an den höfischen Ästhetisierungsprogrammen beteiligt. Anlass für Ballett-, Theater- und Opernaufführungen waren häufig diplomatische Empfänge oder Friedenskongresse. Aufwändige Architektur und Mobiliar übernehmen zudem wichtige Funktionen im diplomatischen Zeremoniell, während Kunstobjekte der Diplomatie als höchst effektive Geschenke und zum Gabentausch dienen. Die Übergänge zwischen Zeremoniell, Festkultur und künstlerischer Praxis waren dabei ebenso fließend wie jene zwischen der internationalen Gemeinschaft der Diplomaten und der sogenannten Gelehrtenrepublik. Bis in die Gegenwart hat der Begriff der kulturellen Diplomatie in den internationalen Beziehungen Bedeutung: Er hat zum Ziel die Popularisierung kultureller Güter als Teil der diplomatischen Mission.
© Photocredit APA | Barbara Gindl
© Voller Originalbericht science.ORF.at | Verhandlungskunst:
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